Ausgelesen: »Die Straße« von Cormac McCarthy (★★★★☆)
Manche Bücher liest man, andere überlebt man. Cormac McCarthy Pulitzer-gekrönter Roman »Die Straße«, gehört definitiv zur zweiten Sorte. Nach der eher mauen Nummer von Joshua Tree, fühlte sich dieses Buch wie ein emotionaler Orkan an
Die bis auf die Knochen reduzierte Story des Romans ist schnell erzählt: Irgendeine, im Buch nicht erläuterte, globale Katastrophe hat die Welt in eine graue Aschewüste verwandelt. Ein Vater und sein kleiner Sohn sind auf dem Weg nach Süden, zur Küste. Ein vages Versprechen von Wärme und vielleicht Leben schwebt über diesem Ziel. Ihr einziger Besitz ist ein Einkaufswagen mit Plunder und ein Revolver mit den letzten beiden Kugeln. Auf ihrer Reise gen Süden, begleitet sie der ständige Hunger, die erbarmungslose Kälte und die wenigen anderen Menschen, die zu Jägern geworden sind um selbst überleben zu können.
Ich muss zugeben, das ich von McCarthys Schreibstil anfangs wenig angetan war. Seine Sprache ist wie die Welt die er beschreibt, ziemlich karg, brutal, auf das absolut Nötigste reduziert. Es gibt es keine blumigen Beschreibungen, nur die harte, kalte Realität. Irgendwann habe ich aber verstanden, dass die staccato-artig gemeißelten Sätze genau so sein müssen und das Buch nur so die düstere Stimmung erzeugen kann.
Aber zwischen diesen Zeilen, in den wortkargen Dialogen zwischen Vater und Sohn, brennt ein unglaubliches Feuer. Der Roman lebt von dieser einen, unzerstörbaren Beziehung. Wie der Vater versucht, in einer Welt ohne Moral seinem Sohn Menschlichkeit beizubringen. Es wirft die Frage auf, was wir unseren eigenen Kindern als moralischen Kompass mitgeben, selbst wenn unsere Welt noch intakt ist.
Der Roman ist ziemlich schonungslos, düster und an manchen Stellen kaum auszuhalten. Man könnte ihn fast als depressiv bezeichnen. Ich denke es war gut, das ich das Buch größtenteils im Urlaub am Pool gelesen habe. Wenn es zu schwer wurde, bin ich einfach mal kurz ins Wasser gesprungen und hab mit dem 14-Jährigen rumgeblödelt.
Wie auch immer, »Die Straße« ist ein absolutes Meisterwerk. Eine brutale, aber zutiefst menschliche Geschichte über die Liebe eines Vaters und die letzte Glut von Hoffnung in der Apokalypse. Sollte man auf jeden Fall gelesen haben. Wenn du ein Buch suchst, das dich noch Tage später beschäftigen wird, dann wäre das meine Empfehlung.
McCarthy hat übrigens auch den Roman No Country for Old Men geschrieben, der von den Coen-Brüdern extrem sehenswert verfilmt wurde. Durch diesen Film ist er auch auf meinem Radar aufgetaucht. Falls ihr Empfehlungen für den nächsten McCarty habt, bitte her damit!