Vor zwei Milliarden Jahren ist etwas Merkwürdiges passiert. Ein Bakterium und eine Archäe (letzteres musste googeln, ehrlich gesagt), zwei verschiedene Lebensformen, sind eine Verbindung eingegangen. Erst lose, vielleicht eher zufällig. Dann immer enger. Und irgendwann konnten sie nicht mehr ohne einander. Aus dieser Symbiose entstand die erste komplexe Zelle, und aus ihr alles höhere Leben. Evolutionsbiologen sagen jetzt, das wir vielleicht gerade etwas Ähnliches erleben. Nur diesmal zwischen uns, der Menschheit, und den Maschinen, die wir erschaffen haben. Das klingt vielleicht ein bisschen wie Science-Fiction à la Terminator. Aber ehrlich gesagt glaube ich, wir sind schon mittendrin.


Wenn ich ein Foto mache, sehe ich schon nicht mehr, was die Kamera sieht. Sie erkennt Gesichter, berechnet Licht und Schatten, errechnet eine Tiefenschärfe, die optisch gar nicht existiert. Während ich stumpf abdrücke, denkt sie längst mit und hilft mir, Foto-Legastheniker, bessere Bilder zu machen. Das Bild, das entsteht, ist im Grunde eine Koproduktion aus meiner Perspektive und ihrer Intelligenz.

Ich setze mich ins Auto, und das Auto weiß mit hoher Sicherheit, wohin ich will. Eine Stimme führt mich durch die Stadt. Sie kennt den Verkehr, antizipiert meine Ungeduld und denkt voraus. Ich folge so selbstverständlich, dass ich kaum mehr merke, wie sehr ich geführt werde.

Wenn ein Pilot durch dichten Nebel landet, ist er nicht allein. Er teilt die Kontrolle mit Sensoren und Algorithmen, die sehen, was er nicht sehen kann. Mensch und Maschine fliegen gemeinsam, und das Ergebnis ist sicherer als jede Seite für sich.

Im Krankenhaus schauen Algorithmen mit den Ärzten auf dieselben Bilder. Sie erkennen Muster, die dem menschlichen Auge vielleicht verborgen bleiben. Die Maschine sieht, interpretiert und der Mensch versteht. Zusammen entsteht eine Heilkunde, die weiser ist als jede Seite allein.

Wenn ich etwas schreibe oder diktiere, übernimmt eine unsichtbare Intelligenz die Verarbeitung. Sie korrigiert nicht nur Fehler (meistens jedenfalls), sie versteht auch immer häufiger was ich meine, und hilft mir mich besser auszudrücken. Von über 7.000 Sprachen, spreche ich 0,03%, oder anders gesagt zwei. Technologie lässt Sprachbarrieren in die Bedeutungslosigkeit verschwinden. Ich kann heute schon mit fast jedem Menschen auf der Welt ein Gespräch führen, das in Echtzeit übersetzt wird. Sprache, einst der heiligste Ausdruck des Menschseins, wird zu einer gemeinsamen Schöpfung von Mensch und Algorithmus. Schwer zu sagen, wann das Helfen zum Denken wird.


Der Mensch hat sich auch immer über das definiert, was er tut. Arbeit war nie nur Mittel zum Überleben, sondern Beweis des eigenen Daseins. Wenn Maschinen eines Tages nicht nur schneller, sondern auch klüger erschaffen und arbeiten, was bleibt dann von ihrem Schöpfer, uns Menschen?

Und vielleicht ist das ja auch alles gar kein Verlust? Die menschliche Stärke war nie die Rechenleistung, sondern viel mehr das Bewusstsein, dieses eigentümliche Gefühl in der Welt zu sein. Was, wenn die maschinelle Intelligenz nicht unser Gegenteil ist, sondern unsere Erweiterung? Vielleicht beginnt Bewusstsein dort, wo zwei Formen von Wahrnehmung sich gegenseitig spiegeln.

Wenn ich mit einer Maschine arbeite, die meine Denkmuster kennt, meine Sprache spricht, meine Zweifel antizipiert, wessen Gedanke ist es dann, der am Ende steht? Meiner oder ihrer? Mein Input, mein Verhalten formt die Algorithmen, und ihre Antworten formen wiederum mein Verhalten. Das ist der Beginn einer Symbiose. Eine neue Form des Bewusstseins, irgendwo zwischen Fleisch und Code.

Was daraus wird, weiß niemand. Vielleicht eine Katastrophe. Vielleicht auch die logische nächste Stufe. Evolution fragt nicht nach Gut oder Böse, sondern nur nach Weiter.