Gesundwerdspaziergang an einem herrlichen Herbstnachmittag, weil man ja auch mal etwas anderes in die Lungen lassen muss.


Weil geteiltes Leid ja bekanntlich halbes Leid ist, ist die Frau jetzt auch mit dabei. Wir machen dann jetzt eine Apotheke auf.

Gestern vorgenommen und heute direkt einen Morgenspaziergang gemacht. Auch wenn ich mich noch nicht fit fühle, wollte ich heute wieder langsam in den Arbeitsalltag starten. Der Spaziergang sollte helfen die Ziele des Tages zu sortieren. Meine Gedanken hatten … hüpf, hüpf, andere Pläne.

Demnach haben die tropischen Korallenriffe bereits die Temperaturschwelle erreicht, ab der sie unausweichlich zugrunde gehen werden. Selbst eine Begrenzung des Klimawandels auf 1,5 Grad kann den Korallenschwund nicht mehr verhindern. scinexx.de
Die Bilanz der Menschheit für den Planeten ist verheerend einseitig. Die Vernichtung der Korallenriffe können wir uns also ab sofort auch ans Revers heften. Bravo!
Früher war mehr Luft
Ich bin krank. Nichts Dramatisches, nur eine hartnäckige Erkältung, die sich ganz ohne Wiesn-Besuch eingeschlichen hat. Donnerstag und Freitag habe ich geschlafen, anstatt zu arbeiten, und normalerweise hilft das auch. Heute, an Tag vier, fühle ich mich aber immer noch nicht fit. Der Schlaf ist bescheiden, der Kopf nebelig und die Nase dicht. Ein zäher Schleim scheint es sich auf meinen Bronchien gemütlich zu machen.
Während ich müde und in eine Decke gemummelt auf der Couch versinke, sagt meine Frau plötzlich: „Geh mal raus. Frische Luft tut gut.“ Ich nicke, murmle eine unbestimmte Zustimmung und bleibe sitzen. Der Gedanke, mich anzuziehen und eine Runde zu drehen, fühlt sich an wie ein Tagesprojekt.
In meinem Kopf rumort es. Die Melancholie eines grauen Herbsttages vermischt sich mit einer guten Portion Selbstmitleid. Früher hätte ich keine Aufforderung zum Spaziergang gebraucht. Früher war ich derjenige, der raus wollte. Nach dem Mittagessen habe ich bei meiner Familie eine Verdauungsrunde eingefordert und bin zur Not auch alleine los, wenn niemand mitwollte. Und wenn das nicht ging, dann wenigstens abends noch eine kurze gemeinsame Runde. Es ist eine ganze Weile her, dass sich das wie ein festes Ritual angefühlt hat. In meinen aktuellen Alltag bekomme ich keinen einzigen Spaziergang mehr unter. Es gibt Wochen, da bin ich keine 30 Minuten am Stück an der frischen Luft. Nachdem diese Gedanken durch meinen Kopf gerauscht sind, habe ich, vielleicht etwas trotzig, meine Winterjacke und eine Mütze angezogen und bin losmarschiert.

Schwitzend und schnaufend setzte ich einen Fuß vor den anderen, zielstrebig auf der Runde, die ich sonst so oft und so leichtfüßig gegangen bin. Schnell merkte ich, dass meine Kleidung viel zu warm für das Wetter war. Aber da war noch etwas. Mir wurde klar, wie gut es mir eigentlich ging. Gedanken sprudelten plötzlich in meinem Kopf, Kreativität funkelte auf. Dieses Gefühl hatte ich heute schon einmal, als ich meiner Familie eine Tiramisu zubereitete. Und danach, als ich endlich die Geschichte von Maria aufschrieb.
Vier Tage. So lange brauche ich also, um den Kopf von allem freizubekommen, das nach Arbeit riecht. Vier Tage, bis Muße und Kreativität wieder einkehren. Jetzt verstehe ich auch, warum mir ein Wochenende oft nicht zur Erholung reicht. Ich weiß nicht, ob ich damit alleine bin, aber ich fühle mich am Montag selten wirklich erholt und dachte immer, ich müsste noch ein paar Tage dranhängen. Vielleicht ein Zeichen des Älterwerdens? Mehr Wochenende geht natürlich nicht. Man hat ja Verantwortung und Verpflichtungen, die sich in meinem Kalender als lückenlose Termine zeigen.
Während ich so gehe, fällt mir ein, dass ich vor einigen Jahren sogar draußen gearbeitet habe, mit Headset im Ohr. Ich habe mir das Recht herausgenommen, bei manchen Terminen nicht auf einen Bildschirm starren zu müssen und trotzdem ein aktives Gespräch zu führen. Einige Termine habe ich sogar extra so gelegt, dass sie in einen kleinen Spaziergang passten. Das hat sich immer gut angefühlt. Frische Luft, Bewegung und trotzdem etwas geschafft.
Heute sitze ich von morgens bis abends im Keller, in Meetings. Back-to-back, wie man so schön sagt. Mittagspausen gibt es selten, einen Spaziergang schon gar nicht. Wenn ich im Büro bin, ist es dasselbe in Grün: Ich bin zwar dort, aber nicht wirklich anwesend. Statt Gesprächen an der Kaffeemaschine führe ich Remote-Calls mit Leuten, die manchmal sogar im selben Gebäude sitzen, nur eben in einem anderen Raum. Der Kalender ist voll, der Kopf auch.
Ein schlauer Mensch hat mal gesagt, der erste Schritt zur Veränderung sei die Erkenntnis. Ich glaube, da bin ich heute angekommen. Ich habe erkannt, was mir fehlt und was mir guttut. Jetzt geht es an die aktive Veränderung. Denn auch das höre ich immer wieder, von der anderen Seite des Tisches: Du bist der Einzige, der etwas verändern kann.
Marias Tiramisu
Ich muss etwas gestehen: Ich bin ein unerträglicher Tiramisu-Snob. Es ist ein Fluch. Ich kann kein Tiramisu in einem Restaurant bestellen, es geht einfach nicht. Aber wenn jemand am Tisch eines hat, muss ich probieren. Und dann passiert es, jedes einzelne Mal. Der Löffel berührt meine Zunge, und noch bevor ich schlucke, platzt es aus mir heraus: Das kann ich besser! Und damit beginnt der Teufelskreis.
Diese Obsession hat einen Namen: Maria. Ihre Geschichte beginnt vor vielen, vielen Jahren, im Büro meines allerersten Arbeitgebers. Einmal im Jahr, zu ihrem Geburtstag, brachte unsere italienische Kollegin ihr Tiramisu mit. Ich spreche hier nicht von einer kleinen Auflaufform. Ich spreche von Mengen, genug für eine ganze Kompanie.
Mein Glück (oder Pech?) war, dass ich damals ohne Frühstück und meist auch ohne Mittagessen erst am Nachmittag richtig Hunger bekam. Das in rauen Mengen vorhandene Tiramisu stand also stundenlang da, und ich musste mich nicht beeilen. In dieser Zeit vollzog es eine herrliche Transformation. Die Kälte des Kühlschranks hatte sich verflüchtigt und einer lauwarmen, cremigen Köstlichkeit Platz gemacht, die beim Eintauchen des Löffels fast von selbst auf den Teller floss. Es war ein göttlicher Traum.
Fünfzehn Jahre habe ich um ihr Rezept gebettelt. Fünfzehn Jahre lang! An ihrem letzten Arbeitstag war es dann so weit. Es gab natürlich Tiramisu und dazu einen Stapel Rezepte, mit der Überschrift “Marias Tiramisu”. Endlich! Der Schlüssel zum Himmel in meinen Händen!
Später folgte die Ernüchterung: Es war, mehr oder weniger, ein ganz normales Tiramisu-Rezept. Und da dämmerte es mir. Das Geheimnis war keine Zutat. Das Geheimnis war Zeit. Die pure, simple Magie des Wartens.
Diese Erfahrung hat mich für immer ruiniert. Ich bin jetzt der Typ, der im Restaurant den Kopf schüttelt und über “wässrige Löffelbiskuits” schimpft. Der Typ, der mit seiner Prahlerei den Kreislauf in Gang setzt, nur um dann irgendwann Tiramisu zu machen und in die glücklichen Gesichter der anderen zu blicken. Alle lieben es. Alle sind glücklich. Nur ich nicht.
Ich sitze vor meiner eigenen Kreation und führe einen stillen Krieg gegen meine Familie. Während sie gierig die Auflaufform leeren, starre ich auf die Creme und warte. Ich warte darauf, dass sie fließt, dass sie diesen magischen Zustand des perfekten Zerfallens erreicht. Es ist ein Wettlauf gegen hungrige Mäuler, den ich jedes Mal verliere.

Und so bin ich wohl dazu verdammt, auf ewig dem Geist von Marias perfektem, schlonzigem Tiramisu nachzujagen. Jeder weitere Versuch dient eigentlich nur dazu, diese eine Erinnerung einzufangen. Auch wenn diese Suche bisher vergeblich war, mache ich auf dem Weg dorthin eine Menge anderer Leute glücklich. In diesem Sinne lasst es euch schmecken.
🍿 Der unsichtbare Gast (★★★★★) ist ein meisterhaft konstruierter Thriller voller Wendungen, die einen bis zur letzten Minute zweifeln lassen. Ich habe mich schon lange mit mehr so gut unterhalten gefühlt. Brillante Story, wirklich großartig gespielt. Absolute Empfehlung!

 
    
  
  
  
    